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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 19.01.2004
Aktenzeichen: 1 B 2074/03
Rechtsgebiete: BeamtVG
Vorschriften:
BeamtVG § 53 Abs. 10 | |
BeamtVG § 53 a | |
BeamtVG § 66 Abs. 7 | |
BeamtVG § 69 d Abs. 2 |
Zur Frage des Andauerns eines Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 69 d Abs. 2 BeamtVG, wenn ein im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft als Rechtsanwalt tätiger Ruhestandsbeamter aus der Partnerschaftsgesellschaft ausscheidet, sich als Einzelanwalt niederlässt und anschließend erneut eine Partnerschaftsvereinbarung trifft, die nur im Außenverhältnis Geltung beanspruchen soll (sog. Scheinpartnerschaftsgesellschaft).
Tatbestand:
Der Antragsteller bezieht als ehemaliger kommunaler Wahlbeamter von der Antragsgegnerin Versorgungsbezüge. Zugleich ist er bereits seit 1999 als Rechtsanwalt niedergelassen. Zunächst war er mit anderen Rechtsanwälten in einer Partnerschaftsgesellschaft tätig. Aus dieser Partnerschaft schied er Ende 2002 aus. Dies nahm die Antragsgegnerin zum Anlass, die Versorgungsbezüge des Antragstellers neu festzusetzen und mit Blick auf das Einkommen, das der Antragsteller seit seinem Ausscheiden aus der Partnerschaftsgesellschaft als Rechtsanwalt erzielt, einen Teil seiner Versorgungsbezüge unter Hinweis auf § 69 d Abs. 2 BeamtVG auf der Grundlage von §§ 53 Abs. 10, 66 Abs. 7 BeamtVG zum Ruhen zu bringen. Die sofortige Vollziehung dieses Festsetzungsbescheides wurde angeordnet. Auf den Antrag des Antragstellers auf Regelung der Vollziehung des Festsetzungsbescheides stellte das VG die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage wieder her. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin blieb ohne Erfolg.
Gründe:
Die von der Antragsgegnerin dargelegten Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses, auf deren Prüfung sich das beschließende Gericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, begründen nicht dessen Änderung. Sie rechtfertigen kein anderes Ergebnis der auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung.
Entscheidendes Gewicht erlangt dabei, dass die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ruhensregelung als völlig offen zu bewerten ist und die danach erforderliche allgemeine Interessenabwägung in Ansehung der sich aus § 80 Abs. 1 VwGO ergebenden Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten des Antragstellers ausfällt.
Hierfür sind die folgenden Gesichtspunkte maßgeblich:
Die Auffassung des VG, der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 69 d Abs. 2 BeamtVG erfasse nur - vom Antragsteller nicht ausgeübte - abhängige Beschäftigungen, nicht aber - vom Antragsteller vorgenommene - selbstständige Tätigkeiten, trägt die Schlussfolgerung nicht, dass schon deshalb die angefochtene Ruhensregelung rechtswidrig sein müsse. Denn der genannten Bestimmung ist eindeutig zu entnehmen, dass dann, wenn zum Stichtag (1.1.2001) schon kein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 69 d Abs. 2 BeamtVG vorgelegen hat, die Neuregelung in § 66 Abs. 7 BeamtVG und damit die Ruhensregelung des § 53 Abs. 10 BeamtVG unmittelbar zur Anwendung gelangen müssen. Die Ruhensregelung des § 53 Abs. 10 BeamtVG, wonach die Versorgungsbezüge um fünfzig vom Hundert des Betrages ruhen, um den sie und das Einkommen die Höchstgrenze übersteigen, wenn ein Beamter im einstweiligen Ruhestand Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen nach Abs. 7 bezieht (d. h. u. a. Erwerbseinkommen aus selbständiger Arbeit), das nicht Verwendungseinkommen ist, ist auf der Grundlage des § 66 Abs. 7 BeamtVG seit dem 1.1.2001 entsprechend für Wahlbeamte - wie den Antragsteller - anwendbar. Die Voraussetzungen für die zeitlich und materiell begrenzte Weitergeltung der bisherigen Anrechnungsregelung für Wahlbeamte aus § 53 a BeamtVG in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung bis zum 31.12.2007 sind in § 69 d Abs. 2 Satz 1 BeamtVG (abschließend) geregelt. Die Anwendbarkeit der Altfassung des § 53 a BeamtVG ist also eindeutig davon abhängig, dass zum Stichtag ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Vorschrift vorliegt und unverändert fortgeführt wird. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, findet das neue Recht Anwendung, mithin auch die Anrechnungsregelung aus § 66 Abs. 7 i.V.m. § 53 Abs. 10 BeamtVG.
Aus diesen Überlegungen lässt sich indes nicht herleiten, dass damit zugleich die angefochtene Ruhensregelung offensichtlich rechtmäßig ist. Denn der vom VG seiner Entscheidung zugrunde gelegte Ausgangspunkt, § 69 d Abs. 2 BeamtVG setze - andere, namentlich selbständige Tätigkeiten ausschließend - voraus, dass der betreffende Ruhestandsbeamte zum Stichtag in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, etwa z.B. in einem Beamtenverhältnis, einem vergleichbaren Arbeitsverhältnis oder in einem anderen privaten Dienstverhältnis gestanden habe, wird sich voraussichtlich im Verfahren zur Hauptsache als unzutreffend erweisen. Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses dürfte nämlich im konkreten Regelungszusammenhang in einem weiteren Sinne zu verstehen sein und zugleich auch ehemalige Wahlbeamte erfassen, die - wie der Antragsteller - zum Stichtag selbständig berufstätig waren. Insoweit spricht vieles dafür, dass die Regelung des § 53 a BeamtVG auch für Wahlbeamte weiter gelten soll, wenn deren abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit fortdauert. Ein solches Verständnis des § 69 d Abs. 2 BeamtVG erschließt sich vor allem daraus, dass der Gesetzgeber in anderen vergleichbaren Regelungszusammenhängen, wie etwa in der Übergangsregelung des § 69 a Nr. 2 BeamtVG den Begriff des Beschäftigungsverhältnisses nicht nur beschränkt auf eine abhängige Beschäftigung verwendet. Denn die tatbestandliche Voraussetzung für die weitergehende Ausnahme unter lit. c) der entsprechenden Nr. 2 des § 69 a BeamtVG, dass eine bestehende Beschäftigung oder Tätigkeit andauert, knüpft unmittelbar an den Tatbestand an, der mit dem Beschäftigungsverhältnis in Nr. 2 erfasst wird. Gemeint ist in diesem Regelungszusammenhang also der Fortbestand des in Nr. 2 Satz 1 genannten "Beschäftigungsverhältnisses". Denn die Erwähnung der (selbständigen) "Tätigkeit" neben der (unselbständigen) "Beschäftigung" in § 69 a Nr. 2 lit. c) BeamtVG ergäbe keinen Sinn, wenn die selbständige Tätigkeit nicht schon von dem Begriff des Beschäftigungsverhältnisses in der Übergangsregelung des § 69 a Nr. 2 BeamtVG umfasst wäre, zu der § 69 a Nr. 2 lit. c) BeamtVG eine abweichende "Maßgabe" enthält. Es kann deswegen mit Blick auf den engen systematischen Zusammenhang der hier in Rede stehenden Vorschriften davon ausgegangen werden, dass auch der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 69 d Abs. 2 BeamtVG die "Beschäftigung oder Tätigkeit" eines Ruhenstands(-Wahl-)beamten zum Inhalt hat. Auch an anderer Stelle bezieht der Gesetzgeber bei der Wortverknüpfung "Beschäftigungsverhältnis" den Begriff der "Tätigkeit" nicht ein, während er ohne den Zusatz "Verhältnis" das Begriffspaar "Beschäftigung oder Tätigkeit" wählt (vgl. § 53 a Abs. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung, §§ 69 Abs. 1 Nr. 2 Satz 6 und Nr. 2 d, 69 c Abs. 4 Satz 1 BeamtVG). Dem entspricht es auch, wenn es in den Gesetzesmaterialien zum Regelungsinhalt der vorliegend streitigen Übergangsregelung des § 69 d Abs. 2 BeamtVG heißt, die Regelung schaffe "in Ergänzung zu der Neuregelung des Hinzuverdienstes für Wahlbeamte auf Zeit durch § 66 Abs. 7 eine Übergangsregelung." Danach werde für Wahlbeamte auf Zeit, die vor dem 1.1.2001 in den Ruhestand getreten sind, die bisherige Sonderregelung des § 53 a BeamtVG über die Anrechnung von privatem Erwerbseinkommen auf die Versorgungsbezüge bis zum 31.12.2007 beibehalten.
Vgl. BT-Drucks. 14/4231.
Der Gesetzgeber hatte also die Anrechnung von Erwerbseinkommen im Auge ohne Differenzierung zwischen Wahlbeamten, die Erwerbseinkommen aus einer (selbständigen) Tätigkeit erzielen und solchen, die Einkommen aufgrund einer (abhängigen) Beschäftigung beziehen, die auch in § 53 a BeamtVG in der bis zum 31.12.2000 gültigen Fassung in dieser Form nicht enthalten war.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.1997 - 2 C 26.96 -, DÖV 1998, 207.
Wird aber dieses Verständnis der Norm zugrunde gelegt, so hängt die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ruhensregelung - bei unterstellter Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Vorschriften - entscheidend davon ab, ob der Antragsteller seine am 1.1.2001 ausgeübte (selbständige) Tätigkeit im Sinne der Übergangsvorschrift unverändert fortführt oder ob sich mit seinem Ausscheiden aus seiner bisherigen Partnerschaftsgesellschaft zum 31.12.2002 oder mit der Aufnahme in eine neue Partnerschaftsgesellschaft im Juli 2003 eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Ob eine wesentliche Änderung einer Beschäftigung oder Tätigkeit erfolgt, ist dabei nicht nur vom unveränderten Beschäftigungsinhalt im weiteren Sinne abhängig, sondern entscheidend auch von dem konkreten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen, innerhalb dessen die Beschäftigung und/oder Tätigkeit ausgeübt wird. Der Gesetzgeber hat vergleichbar mit der Übergangsregelung aus § 69 Abs. 1 Nr. 2 Satz 6 BeamtVG, vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 18.9.1997 - 2 C 35.96 -, BVerwGE 105, 226, Anlass zum Vertrauensschutz für denjenigen Ruhestandsbeamten gesehen, der sich mit dem Eingehen einer abhängigen Beschäftigung oder der Begründung einer selbständigen Erwerbstätigkeit festgelegt hat und sich aus dieser Festlegung möglicherweise nur schwer oder unter erheblichen wirtschaftlichen/finanziellen Nachteilen lösen kann. Dieser Anlass für Vertrauensschutz entfällt, wenn die aufgenommene Tätigkeit oder Beschäftigung endet. Demgegenüber sind Sachverhalte nicht schutzwürdig, die in Ansehung der geänderten Rechtslage neuere Dispositionen hinsichtlich Beschäftigung und/oder Tätigkeit betreffen, welche ihrem Charakter nach eine Abkoppelung von früher getroffenen schutzwürdigen, weil z. B. Vermögensdispositionen betreffenden Entscheidungen enthalten, d. h. im Grunde einen wirtschaftlichen und rechtlichen Neubeginn beinhalten.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.8.2002 - 1 A 4384/01 -.
Ob ein solcher Neubeginn im Ausscheiden des Antragstellers aus seiner Rechtsanwaltspartnerschaft zum 31.12.2002 oder in seinem späteren Eintritt in eine weitere (Schein-)Partnerschaft gelegen hat, muss im Rahmen des vorliegenden Verfahrens offen bleiben. Denn eine entsprechende Bewertung des Sachverhalts ist auf der Grundlage der nach Aktenlage erkennbaren Umstände weder hinreichend verlässlich zu treffen, noch auszuschließen. Insoweit bedürfen namentlich die rechtlichen/wirtschaftlichen Grundlagen der bis zum 31.12.2002 andauernden Partnerschaftsgesellschaft, der der Antragsteller angehörte, näherer Überprüfung. Dies erfordert ggf. zugleich eine weitergehende Prüfung und Einschätzung - und dies gilt zugleich auch für die vom Antragsteller seit Juli 2003 eingegangene Partnerschaft -, ob eine interne Abrede, dass die Partnerschaft nur im Außenverhältnis Geltung beanspruchen soll (sog. Scheinpartnerschaft) im gegebenen Zusammenhang Relevanz besitzt. Eine endgültige Entscheidung und Einschätzung ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
Bei der nach alledem erforderlichen (offenen) allgemeinen Interessenabwägung erlangt die Wertentscheidung des Gesetzgebers in § 80 Abs. 1 VwGO ein besonderes Gewicht. Danach haben Widerspruch und Klage gegen Regelungen über das Ruhen von Versorgungsbezügen regelmäßig aufschiebende Wirkung. Besondere diese Wertentscheidung überwiegende öffentliche Interessen an einer sofortigen Vollziehung der Ruhensregelung im Falle des Antragstellers sind nicht festzustellen. Die von der Antragsgegnerin zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung weiter angeführten Gründe zeigen solche Interessen nicht einmal im Ansatz auf, ohne dass im vorliegenden Zusammenhang zu entscheiden wäre, ob diese überhaupt den Begründungsanforderungen aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht werden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf das angeführte öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft als auch im Hinblick auf das Interesse, die vorgesehene Einkommensanrechnung - so sie sich im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen sollte - sicherstellen zu können, zumal angesichts der geringen Höhe des derzeit streitigen Ruhensbetrages auch unter Berücksichtigung der möglichen Verfahrensdauer nicht zu befürchten steht, dass eine spätere Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge ausgeschlossen wäre.
Ende der Entscheidung
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